Stalin erklärte die Prämisse in seiner Rede vom 10. März 1939 in Moskau:

“Eine Nichteinmischung vertritt das Bestreben… den Kriegstreibern die Gelegenheit zu geben, sich tief in den Sumpf des Krieges zu verstricken, sie insgeheim anzutreiben. Das Ergebnis wird sein, daß sie sich gegenseitig schwächen und erschöpfen. Dann… (werden wir) mit frischen Kräften auf der Bildfläche erscheinen und – natürlich “im Interesse des Friedens” – einschreiten, um den geschwächten Kriegführenden die Bedingungen zu diktieren.”

Am 23. August 1939 war der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop in Moskau. Er und Molotow unterzeichneten den historischen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt. Am folgenden Abend bewirtete Stalin prominente Mitglieder des sowjetischen Politbüros in seiner Wohnung. Unter den Gästen befanden sich Molotow, Woroschilow, Lawrenti P. Beria und Nikita Kruschtschow.

Wie sich Kruschtschow später erinnerte, erklärte Stalin, daß er den Krieg mit Deutschland als unvermeidlich ansah, aber vorübergehend Hitler überlistet hatte und damit Zeit gewann. Der Sowjetpremier beschrieb den Vertrag mit Deutschland als ein Spiel des “Wer wen übervorteilt”. Er schloß daraus, daß die Sowjetunion sowohl moralisch wie auch militärisch im Vorteil war. Ein paar Monate später erklärte das sowjetische Außenministerium Stalins Entscheidung in einem Telegramm an seine Botschaft in Tokio: “Die Ratifizierung unseres Vertrages mit Deutschland wurde durch die Notwendigkeit diktiert, einen Krieg in Europa zu haben.”

Am 25. August 1939 veröffentlichte die schweizer Zeitschrift Revue de droit international den Text einer Rede, die Stalin am 19. August in einer geschlossenen Sitzung des Politbüros in Moskau hielt. Er wurde wie folgt zitiert:

“Es muß unser Ziel sein, daß Deutschland lange genug Krieg führt, um England und Frankreich so sehr zu schwächen, daß sie Deutschland nicht allein besiegen können…. Sollte Deutschland gewinnen, wird es selbst so geschwächt sein, daß es nicht in der Lage sein wird, in den nächsten 10 Jahre gegen uns Krieg zu führen… Es ist für uns von höchster Wichtigkeit, daß dieser Krieg so lange wie möglich dauert, bis beide Seiten ermattet sind.”

Im November erwiderte Stalin in der Prawda, daß der schweizer Artikel ein “Haufen von Lügen” sei. (Der russische Forscher T. S. Buschuyewoy entdeckte Stalins Originaltext 1994 in den ehemaligen sowjetischen Archiven; er stimmte mit der schweizer Version überein.)

Innerhalb der UdSSR war ein intensives Rüstungsprogramm im Gange. 1938 stieg es um 39 Prozent an, verglichen mit 13 Prozent in der Zivilindustrie. Der Schwerpunkt befand sich bei der Herstellung von Panzern, der Entwicklung der Artillerie und der Flugzeugproduktion. Im September 1939 ordnete das Verteidigungskomitee der UdSSR den Bau von neun Flugzeugfabriken an und sieben weiteren zur Produktion von Flugzeugmotoren.

Dies wurde ergänzt durch die Umstellung einer Anzahl von Zivilgüterfabriken auf die Herstellung von Bauteilen für die Flugzeugindustrie. 1940 stieg die sowjetische Produktion von modernen Kampfflugzeugen um über 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Erdkampftruppen erfuhren eine parallele Steigerung in ihrer Bewaffnung. Zwischen Januar 1939 und Juni 1941 erhielt die Rote Armee über 7.000 neue Panzer und 82.000 Artilleriegeschütze (einschließlich Minenwerfern). Am 26. Juni 1940 wurde ein Gesetz erlassen, das den sowjetischen Arbeitstag von sieben auf acht Stunden und auf sieben Tage die Woche festlegte. Disziplinarprozesse wegen Langsamkeit und Faulheit in den Fabriken wurden gegen die Arbeitskräfte gerichtet. Diese Maßnahmen werden normalerweise während Kriegszeiten angewendet.

Aushebung zum Militärdienst ließ die Reihen der Roten Armee anschwellen. Eine Streitmacht, die im Frühjahr 1938 1 Million Männer betrug, überschritt bis zum Juni 1941 5 Millionen…

(Artikel aus «The Barnes Review», Nov.-Dez. 2000, S. 27-33)